Hirschkind - Siebdruck aus Berlin

In diesem Interview erfahrt ihr nicht nur, warum es Hirschkind gibt und wie die Prints zustande kommen, sondern auch ganz viel über die Welt der ökofairen Textilproduktion! Danke, liebe Nici, für deine ausführlichen Antworten und den Einblick in Produktion und Handel. Ich finde es immer besonders wertvoll zu erfahren, wo die Herausforderungen sind und warum es manchmal mehr als akzeptabel ist, eben kein Siegel für die Produkte zu haben.

1. Wer seid ihr und was macht ihr?

Wir sind Nici Jäckle und Ben Irion aus Berlin. Unser Label Hirschkind haben wir 2008 gegründet. Die Hirschkind-Kollektion umfasst einerseits Shirts, Röcke & Longsleeves, Babybodies und andererseits Home- und Küchentextilien wie Bettwäsche, Kissenbezüge, Geschirrtücher und Schürzen.

Unsere Produkte bedrucken wir im Siebdruckverfahren von Hand in Kreuzberg mit unseren eigenen Motiven. Unsere 'Stars' sind Tiere und Pflanzen, die ich großteils selbst fotografiere. So findet man z.B. die Schafgarbe von unserem Kreuzberger Balkon auf Bettwäschen und Shirts oder auch die Feldlerche vom Tempelhofer Feld in Berlin oder die Blätter der Kastanie, die vor unserem kleinen Datschengarten in Brandenburg steht.

 

2. Wie seid ihr dazu gekommen, ein Label zu gründen? Was hat euch dazu inspiriert und was motiviert euch?

Wir hatten nie vor ein Label zu gründen und haben früher beruflich ganz andere Dinge gemacht. Die Idee, Shirts zu machen, ist 2006 oder so entstanden, einfach weil es keine schönen Shirts gab. Wir haben zuerst einfach nur Shirts für uns gemacht. Dann kamen wir zum Siebdrucken, das wir uns selbst beigebracht haben, da hat man dann recht viel 'Output' und deshalb haben wir einfach mal versucht, die Shirts zu verkaufen - zuerst auf Märkten und dann online. Das war zuerst nur ein schönes Hobby. Irgendwann haben wir in einer beruflichen Umbruchphase einen hübschen Laden in Kreuzberg entdeckt und uns kurzerhand entschlossen, das Hobby zum Beruf zu machen. So entstand der "supermarché". Irgendwann haben wir begonnen, zusätzlich andere ökofaire Marken zu verkaufen und nach und nach ein gesamtes ökofaires Kleidersortiment anzubieten. Durch Zufall fanden wir ganz in der Nähe einen viel größeren Laden in guter Lage und so war das Konzept dann endlich tragfähig.

Das Interesse an ökologischer und fairer Mode hat in den letzten Jahren immer mehr zugenommen. Für das Hirschkind werde ich durch meine Liebe zur Natur und zu Tieren inspiriert, die ich schon seit meiner Kindheit habe, und durch meine Lust an kreativem und handwerklichem Arbeiten. Was den Laden angeht, so motiviert uns, dass wir zeigen wollen und auch können, dass eine andere Art der "Modeproduktion" möglich ist, die auch die Konsequenzen für Menschen, die Umwelt und die Natur mit einbezieht. Und außerdem wollen wir die Fahne des inhaberinnengeführten Einzelhandels hochhalten. Eine Welt ohne Handelsketten ist möglich :-)

 

3. Wie setzt ihr das Thema "Nachhaltigkeit" in eurem Unternehmen um?

Mit dem Wort "Nachhaltigkeit", das Ihr ja auch in Anführungszeichen setzt, kann ich nicht viel anfangen. Mittlerweile ist ja scheinbar fast alles nachhaltig, weil es sich so gut verkauft. Was wir versuchen wollen, ist bessere Alternativen zur existierenden Modeindustrie anzubieten - also Kleidung aus ökologischen Materialien, die unter möglichst guten Bedingungen gefertigt werden. Wir versuchen, vertrauensvolle lang anhaltende Geschäftsbeziehungen aufzubauen und schauen nicht auf den Cent oder drücken keine Preise. Und auch das Drumherum soll so sein, dass es möglichst wenig Schaden anrichtet. Ökostrom, eine ethische Bank, möglichst viel mit dem Fahrrad erledigen, Fairtrade-Kaffee und Tee im Laden, Bio-Lebensmittel, Recycling-Papier, selbst gebaute oder gebrauchte Möbel. Das ist aber eigentlich selbstverständlich, da es für uns kein Marketinginstrument ist, sondern das,

was ich richtig finde und auch im Privaten versuche. Manchmal ist es schon lustig, wenn wir -als Laden- zur Vororder zu einer nachhaltigen Marke gehen und dort bekommen wir dann den Kaffee aus den Nespresso-Kapseln vorgesetzt, also wirklich das absolute Gegenteil von fair, bio und nachhaltig. Da stellen sich dann schon Fragen, wie durchdacht oder ernst gemeint deren “nachhaltiges” Konzept ist ...

 

4. Gute Arbeitsbedingungen und existenzsichernde Löhne sind uns sehr wichtig. Wie sorgt ihr dafür, dass in eurem Produktionsprozess alles fair zugeht?

 

Wir haben in den Jahren, die wir das Hirschkind machen, versucht, die Nähereien oder Stoffproduzenten, also die Wertschöpfungsketten zu finden und zu wählen, die uns am überzeugendsten erscheinen. Das ist nicht immer einfach, weil es oft kein eindeutiges Gut vs. Schlecht gibt. So arbeitet die Näherei in Kenia zu superguten Bedingungen für die dortige Region und ist weit von "Fast Fashion" entfernt. Die Leute, die dort arbeiten, sind oft schon seit vielen Jahren da und fühlen sich wohl. Es erscheint uns sinnvoll, Textilproduktion in Ostafrika zu unterstützen (die für uns übrigens was den Stückpreis angeht, viel teurer ist als z.B. in Indien oder extrem viel teurer als in Bangladesch, wo ja auch viele ökofaire Shirts produziert werden). Der Lohn ist für die Region hoch und dennoch könnte er höher sein. Dass er es nicht ist, liegt an der noch nicht ausreichenden Auslastung der Näherei. Wir haben uns deshalb zusammen mit anderen dort produzierenden Labels entschlossen, eine zusätzliche Stückprämie in einen Fond der Angestellten der Fabrik zu zahlen, um den Lohn insgesamt zu erhöhen.

Oder die Näherei in Sachsen - wir fanden es super, dass sie so nah ist und dass wir zeigen können, dass regionale Produktion möglich ist. Dort wird der deutsche Mindestlohn gezahlt. Das ist schon mal gut, aber es ist nicht gerade ein fürstliches Gehalt. Reich werden die Näherinnen davon nicht - wie nirgends auf der Welt. Verglichen mit "Fast Fashion" sind dies alles aber super Bedingungen und würdige Arbeitsplätze. Denn wir müssen das ja mit einer Branche vergleichen, in der Zwangsarbeit, sexuelle Übergriffe, Gefährdung des Lebens durch mangelnde Sicherheit und giftige Stoffe keine Seltenheit sind.

 

5. Nach welchen Kriterien wählt ihr eure Materialien aus? Welche verwendet ihr? Haben eure Materialien ein Nachhaltigkeitssiegel?

 

Es hängt natürlich immer sehr vom Produkt ab und wir machen ja dadurch, dass wir einerseits Kleidung anbieten und andererseits Heimtextilien, sehr unterschiedliche Dinge. Generell verwenden wir nur Biobaumwolle in unserer Produktion. Die Wertschöpfungskette so aufzubauen war teilweise sehr schwer und ist uns für unsere Geschirrtücher erst vor ca. einem Jahr gelungen. Die Geschirrtücher werden nämlich in unserem Auftrag von HandweberInnenkooperativen in Indien handgewebt und es hat mehrere Jahre gedauert, sie zu überzeugen, Biobaumwolle zu verwenden. Wir wollten sie aber auch nicht einfach fallen lassen, als es plötzlich Geschirrtücher aus Biobaumwolle auf dem Markt gab, die wir auch hätten verwenden können, die aber nicht handgewebt waren. Und zum Glück hat sich unsere Hartnäckigkeit und Geduld gelohnt. Wir selbst haben als Minimarke kein GOTS-Zertifikat oder Ähnliches. Dafür müssten wir unsere Ein-Personen-Siebdruckwerkstatt zertifizieren lassen, das lohnt sich einfach nicht. Zumal z.B. unsere Näherei für die Bettwäsche in Sachsen auch kein GOTS-Zertifikat hat, sie produziert nur für uns aus Biobaumwollstoffen, die wir anliefern. Wir kennen aber unsere Wertschöpfungsketten genau und finden es deshalb in Ordnung, auf ein Zertifikat verzichten. Unsere Stoffe für Kleidung und Bettwäsche sind allesamt bio-zertifiziert, inklusive der Färbung. Aber ein Produkt darf ja - sinnvollerweise - nur ein GOTS-Zertifikat tragen, wenn alle Produktionsstätten in der Kette zertifiziert sind. Insofern ist es wichtig, dass wir hier transparent sind. Unsere kleine Näherei in Kenia, die die Longsleeves, Röcke und Babybodies und bald auch unsere Shirts produziert, kann sich kein GOTS-Zertifikat leisten, ist aber von der WFTO zertifiziert und wir selbst haben dieses Zertifikat für die Produkte, die wir bei ihnen machen lassen ebenso.

 

6. Wo werden eure Produkte hergestellt? Und von wem?

 

Einiges haben wir ja schon genannt: Unsere Bettwäsche wird ganz nah bei uns in Sachsen genäht, die Geschirrtücher & Schürzen werden in Indien handgewebt, ein Teil der Modekollektion wird in Kenia genäht, der andere (Shirts) in Indien. Wir haben uns jeweils Produktionsstätten gesucht, die wir besonders überzeugend fanden - entweder dadurch, dass sie hier vor Ort sind (wie bei der Bettwäsche) oder dadurch, dass sie noch von Hand weben wie bei den Geschirrtüchern und so das traditionelle indische Handwebeverfahren gestärkt werden kann oder wie die Näherei in Kenia, durch ihre tolle durchgängig faire und voll transparente Wertschöpfungskette in Ostafrika - mit Biobaumwollkooperativen in Tansania, Stoffproduktion und Färbung ebenfalls in Tansania.

 

7. Eure Marke in 3 Worten:

 

Ökofaire Mode für Stadt, Land, Bett (naja, 6 Worte ...)

 

8. Welches ist euer Lieblingsprodukt von euch? (schwierig, das wissen wir!)

 

Das schwarze Pusteblumenshirt und die dunkle Pusteblumenbettwäsche. Beides haben wir schon ganz lange im Sortiment und ich mag und trage es immer noch!

 

9. Welches ist euer Lieblingsprodukt einer anderen öko–fairen Marke?

 

Wir mögen beide die Hoodies und allgemein die Mode von Recolution sehr gerne.

 

10. Wo findet man weitere Informationen über euch?

Auf unserer Seite: https://www.hirschkind.de/

 

11. Was sollten unsere Kunden unbedingt noch über euch wissen?

 

Ich denke, wir haben jetzt schon sehr viel erzählt. Worauf wir ganz stolz sind, ist, dass wir den Fairtrade-Award von Fairtrade Deutschland in der Kategorie Handel gewonnen haben!

Und wer jetzt noch mehr über uns, unsere Marke und unseren Laden wissen will, kann auf der Seite unseres Ladens stöbern. Wir haben auch einen Blog, wo wir immer auch mal wieder über uns berichten: https://www.supermarche-berlin.de/supermarché-fair-trade-blog/

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